Quelle: Usinger Anzeiger vom
25.04.18
Von Inka Friedrich
WEHRHEIM -
(inf). Es riecht nach Leder und Velours.
Und noch etwas Drittem, Undefinierbarem:
vielleicht der Zeit - ja mit Sicherheit
sogar der Zeit. Denn ein echter Oldtimer
hat viele Jahre auf dem Buckel.
30 Jahre
und "unverbaut", das sind die Kriterien,
die ein Auto mitbringen muss, damit es
das begehrte H-Kennzeichen, das
Oldtimerkennzeichen, bekommen kann. Wer
in der glücklichen Lage ist ein solches
Gefährt zu besitzen, wird die übliche
Reaktion kennen: An der Straße bleiben
Leute bewundernd stehen oder stupsen sich
gegenseitig in die Seite, um auf das
ungewöhnliche Auto aufmerksam zu machen.
Es sind Fahrzeuge, deren röhrende Motoren
noch bleihaltiges Benzin gefressen haben.
Eine Kost, an die man sich in Zeiten der
Elektroautos wahrscheinlich nur noch vage
erinnern kann.
Beim
Cransberger Oldtimerclub teilt man die
Liebe zu diesen alten Gefährten. Seit
2003 besteht der Zusammenschluss von
Autoliebhabern, wurde damals von Sven
Albrecht, Tim Bray, Roland Scheller und
Christof Demuth gegründet:
"Markenunabhängig und
familienfreundlich", wie man es im
Internetauftritt der Oldtimerfreunde
beschrieben findet. Und sie sind - wie
sie betonen - kein Verein, sondern eine
Interessengemeinschaft.
Es geht den
Oldtimerbegeisterten, die sich
mittlerweile aus Menschen aus dem ganzen
Usinger Land und darüber hinaus
zusammensetzen, in erster Linie um Spaß,
Gemeinschaft, gemeinsame Ausfahrten und
um Herzblut. Aber auch darum, das
Kulturgut "Auto" zu erhalten. Viele
Mitglieder des Clubs haben gleich mehrere
Wagen, die mehr oder weniger viele Jahre
auf dem Buckel haben. Manche davon sind
mittlerweile echte (und zum Teil teure)
Raritäten geworden. "Es gibt immer noch
viele Leute, die trauen sich nicht, einen
solchen Wagen auf der Straße zu fahren,
weil er so wertvoll ist. Der steht dann
nur in der Garage und wird geputzt",
erklärt Dietmar Lipinski, einer der
Oldtimerbegeisterten.
Eine
Philosophie, die man bei den Kransbergern
allerdings nicht teilt. Ganz im Gegenteil
- hier wollen die Autos bewegt werden.
"Wir fahren bei unseren Ausfahrten meist
ganz kleine Landstraßen entlang, damit
die Teilnehmer des Autokorsos nicht durch
Ampeln oder Ähnliches getrennt werden und
wir niemanden behindern", erklärt
Lipinski, der selbst zwei Oldtimer
besitzt. Unter anderem einen Mercedes 300
SEL, der 47 Jahre alt ist und sich bis
auf eine Ausnahme immer im Familienbesitz
befand. Das merkt man dem Wagen an, denn
er ist äußerst gepflegt. Und es ist schon
ein Erlebnis, in jenem alten Gefährt zu
fahren, das innen eher wie ein plüschiges
Wohnzimmer wirkt. Luftgefedert sitzt man
auf den breiten Sitzen mit
Veloursstoffbezug ähnlich bequem wie auf
einem Sofa. Stilecht findet sich eine
Klorolle auf der Hutablage im Heck,
genauso wie der muntere Wackeldackel
nebenan und die Nackenrolle mit
Häkelbezug. "Das darf nur ein Mercedes",
erklärt Besitzer Lipinski lächelnd. Er
hat zusammen mit seiner Frau Anita die
erste Ausfahrt des Clubs in diesem Jahr
geplant. Die Tour führt 15 Oldtimer über
Runkel, Villmar bis schließlich nach
Niederselters, wo ein Besuch der
Seltersquelle ansteht. Und die Auswahl
der Fahrzeuge kann sich sehen lassen. Von
einem alten, schmucken Peugeot 403 B über
eine Corvette Baujahr 69, bis hin zu
einem Landrover, älteren BMWs und einem
alten Opel Corsa A-CC (Bj. 1983), die
Palette der Wagen ist bunt gemischt.
Jeder im
Club ist einmal für die Planung der von
April bis November stattfindenden,
monatlichen Ausfahrt verantwortlich. So
ist auch die Strecke immer anders.
Meistens führt sie durch den Taunus, die
Wetterau oder andere angrenzende
Kreisgebiete. "Wir haben immer ein
kleines Highlight bei unseren Ausfahrten
eingebaut", berichtet Demuth. Gefahren
wird gemächlich. Dass auch ja niemand
abgehängt wird, erklärt Lipinski, der mit
seinem Flaggschiff dieses Mal den
Autokorso anführt. Erzählt es noch - und
kurze Zeit später ist ein großer Teil der
hinterherfahrenden Wagen verschwunden.
Abgehängt an der einzigen Ampel auf
dieser Strecke.
Da jedoch
vor Fahrtantritt Landkarten ausgeteilt
wurden, trifft man sich später am
festgelegten Rastplatz in Villmar wieder.
Dort muss Lipinski ein wenig gut
gemeinten Spott aushalten. "Naja, Du bist
ja früher mal Ralleys gefahren", heißt es
da von anderen Fahrern mit einem
Augenzwinkern. Bleibt doch mal eines der
alten Autos stehen, so hilft man sich
gegenseitig. "Reparaturen sind da nicht
mal eben so gemacht. Da hat man dann mal
drei Monate keinen Oldtimer", heißt es in
Oldtimerkreisen. Doch alles ist
entspannt, sonst fährt man bei jemand
anderem mit. "Wir sind da ein richtiger
Familienkreis", betont Demuth, egal ob
Pärchen, Singles oder Familien mit
Kindern, jeder ist willkommen. Und zwar
nicht nur Oldtimerfans.
Ein Auto
muss übrigens nicht immer 30 Jahre und
mehr auf dem Buckel haben, um im
Kransberger Oldtimerclub ein Zuhause zu
finden. Jüngere Autos im Originalzustand,
sogenannte Youngtimer, sind im
Oldtimerclub genauso gerne gesehen. Und
wenn so schönes Wetter ist, dann holt der
eine oder andere auch mal sein modernes
Cabrio hervor und fährt damit.
Mittlerweile ist der Club auf ungefähr 60
Personen angewachsen, die Oldtimerzahl
liegt momentan bei etwa 57 Old- und
Youngtimern, sowie Wohnwagen, so genau
weiß das Demuth gerade nicht.
In
all den Jahren sind im Club Routinen und
regelmäßige Termine entstanden. Wie das
Usinger Stadtfest, der Auftritt bei der
Krönung der Apfelblütenkönigin in
Wehrheim oder ein großes Sommerfest. Doch
das ist noch lange nicht alles. Denn die
Oldtimerfreunde engagieren sich bereits
seit Jahren auch für einen guten Zweck:
für alte Menschen, für Kinder und für
Behinderte. Um diese Menschen zu
unterstützen, spenden sie einer
gemeinnützigen Organisation aus dem
Hochtaunuskreis regelmäßig einen
ordentlichen Betrag, den sie über
Oldtimer-Mitfahrgelegenheiten einnehmen.
Und auch eine helfende Hand finden
Menschen bei den Mitgliedern des Clubs,
denn das Herz für Menschen, die den
anderen benötigen, ist groß.
|